Physikalisch-Medizinische Gesellschaft übergibt Autographen der Sitzungsprotokolle
14.01.2021Ende 2020 tauchten zwei Protokollbücher auf, die die handschriftlichen Berichte über die Sitzungen der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft (PMG) Würzburg der Jahre 1894/95 bis 1929 enthalten. Protokolliert ist im ersten Band die legendäre Sitzung vom 23.01.1896, bei der Wilhelm Conrad Röntgen seinen Vortrag „Über eine neue Art von Strahlen“ hielt und die spektakuläre Röntgen“-Aufnahme von der Hand des Würzburger Anatomieprofessors Albert von Koelliker machte. Die außergewöhnlichen Autographen wurde am Mittwoch, 13.Januar 2021 im Rahmen einer hybriden Presseveranstaltung an die Universitätsbibliothek Würzburg (UB) übergeben.
Prof. Dr. Manfred Gessler, Kassenwart der PMG, bezeichnete die Protokollbände als einen „wichtigen Mosaikstein“ für die Wissenschaftsgeschichte der Universität Würzburg. Die Sitzungsberichte dokumentierten die Bedeutung, die eine Fachgesellschaft wie die PMG für die Kommunikation und Verbreitung wissenschaftlicher Ergebnisse zur damaligen Zeit besaß, so der Vorsitzende der PMG, Prof. Dr. Dr. Manfred Schartl in seinem Grußwort. Derzeit werden bereits alle Publikationen der Gesellschaft mit finanzieller Unterstützung der PMG vom Digitalisierungszentrum der UB digitalisiert. Dr. Hans-Günter Schmidt, der Leiter der UB, dankt den Vertretern der PMG für die Übergabe der Autographen an die Universitätsbibliothek und betont den Mehrwert, der sich mit der Digitalisierung für die Öffentlichkeit ergibt: „Perspektivisch stehen damit die für die Wissenschaftsgeschichte einzigartigen Dokumente der gesamten interessierten Öffentlichkeit digital zur Verfügung.“
Die autographen Protokollbücher
Die beiden übergebenen Protokollbücher bilden eine wertvolle Ergänzung der publizierten Sitzungsberichte der PMG. Mit ihnen lässt sich auf beeindruckende Weise der Publikationsprozess von den handschriftlich verfassten Protokollen zu den gedruckt publizierten Sitzungsberichten nachzeichnen. Die mit einem Pappeinband versehenen Bände im A5-Format enthalten chronologisch nach Jahrgängen geordnet die Protokolle, beginnend mit dem Jahr 1894/95 und dem Protokoll über die erste Sitzung am 15.12.1894, endend mit dem Jahrgang 1929 und der 12. Sitzung am 20.06.1929. Zahlreiche Schreiber und Schriftbilder sind zu erkennen; teils sind Ausschnitte aus Veröffentlichungen eingeklebt.
Würzburger Wissenschaftsgeschichte handschriftlich festgehalten:
Der Vortrag W. C. Röntgens am 23.01.1896
Der erste Band enthält das handschriftliche Protokoll eines öffentlichen Vortrags, der als historisches Ereignis in die Geschichte eingegangen ist: Am 23.01.1896, vor 125 Jahren, hielt Wilhelm Conrad Röntgen auf einer öffentlichen Sitzung der PMG seinen denkwürdigen Vortrag „Über eine neue Art von Strahlen“, den er am 28. Dezember 1895 an die PMG übermittelt und der noch im Jahr 1895 im letzten Bericht gedruckt wird (137. Jahrgang, 1895, S. 132-141). Die erste Publikation Röntgens über die Entdeckung der X-Strahlen erscheint zudem noch Ende 1895 als Separatdruck im Würzburger Stahel-Verlag. Da der Druck schnell vergriffen ist, bringt Stahel 1896 weitere vier Auflagen der berühmten Publikation Röntgens heraus. Röntgens Vortrag, der der einzige über seine Entdeckung der X-Strahlen bleiben sollte, ist ein Beispiel für „Science Communication“ am Ende des 19. Jahrhunderts. Im Protokoll zur Sitzung wird berichtet, dass Röntgen nicht nur vor einem begeisterten Auditorium über die Entdeckung der X-Strahlen berichtet, sondern er fertigt live, vor den Augen der Zuhörenden, eine Röntgen-Aufnahme der Hand Prof. Albert Koellikers an, dem damaligen Ehrenpräsidenten der PMG. Damit liefert er während der Sitzung einen für alle Teilnehmenden visuell wahrnehmbaren Beweis seiner Entdeckung. Die Aufnahme der Hand Koellikers wird zusammen mit Röntgens „Zweiter Mitteilung“ im Anschluss an den Vortragsbericht in den Sitzungsprotokollen publiziert. Auf dieser historischen 3. Sitzung der PMG schlägt Koelliker auch vor, die X-Strahlen künftig als „Röntgen’sche Strahlen“ zu bezeichnen. Röntgen wird die Strahlen nie so nennen; er verwendet Zeit seines Lebens die Bezeichnung „X-Strahlen“.
Die Fundgeschichte der Protokollbände: Ein glücklicher Zufall
Eine Schenkerin, die anonym bleiben möchte, habe die Bände Ende 2020 im Sekretariat des Lehrstuhls für Entwicklungsbiochemie der Universität Würzburg abgegeben, erklärt der Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Manfred Gessler zu den Hintergründen des Fundes. Er sei sich mit dem Vorstand der Gesellschaft, Herrn Prof. Dr. Dr. Manfred Schartl, schnell einig gewesen, dass die handschriftlichen Protokolle in der Universitätsbibliothek Würzburg aufbewahrt werden sollten, in deren Buchbestand sich alle Publikationen der PMG und darunter auch die publizierten Sitzungsberichte befinden. Damit kämen sie an den eigentlichen Aufbewahrungsort wieder zurück, so Gessler. Der Pressetermin fand aufgrund der Corona-Pandemie in hybrider Form statt. Die offizielle Übergabe erfolgte im historischen Röntgen-Hörsaal, an dem Ort, an dem Röntgen vor 125 Jahren seinen denkwürdigen Vortrag hielt. Sobald es die Pandemiesituation zulässt, ist eine größere Veranstaltung geplant, an der dann auch die breite Öffentlichkeit die einzigartigen handschriftlichen Dokumente und weitere Autographen rund um den Wissenschaftler und Menschen Wilhelm Conrad Röntgen aus dem Bestand der Universitätsbibliothek Würzburg bewundern kann.